SPD und FDP im Hessischen Landtag haben heute gemeinsam die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses beantragt, der bestimmte Vergabeverfahren im Innenministerium beleuchten soll. Es handelt sich dabei um die Beschaffung einer so genannten „Analysesoftware“ namens „Gotham“ für die hessische Polizei und um die Vergabe von Abschleppaufträgen in Millionenhöhe durch das Polizeipräsidium für Technik, Logistik und Verwaltung.
Die innenpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, Nancy Faeser, begründete den Einsetzungsantrag damit, dass der Innenminister mehrfach nicht in der Lage oder nicht willens war, Fragen der Abgeordneten zu diesen Beschaffungsvorgängen zufriedenstellend zu beantworten. Eine vom Minister gewährte Akteneinsicht habe die Fraktionen der SPD und der FDP schließlich zu dem Entschluss gebracht, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen.
Nancy Faeser sagte dazu am Mittwoch im Hessischen Landtag: „Aus der Presse – namentlich aus dem SPIEGEL vom 6. April dieses Jahres – mussten wir erfahren, dass für die hessische Polizei eine Analysesoftware namens ‚Gotham‘ von der US-amerikanischen Firma Palantir Technologies angeschafft wurde – und zwar schon im Jahr 2017. Diese Software sollte der effektiven Bekämpfung des islamistischen Terrorismus und der schweren und organisierten Kriminalität dienen, indem sie Informationen aus allen angeschlossenen Datenbanken der Polizei aufarbeitet und abgleicht. Darüber hinaus verknüpft ‚Gotham‘ im Einzelfall diese Polizeidaten mit externen Daten, beispielsweise aus sozialen Netzwerken, um zu einem Gesamtbild zu kommen. Es werden also auch große Mengen an persönlichen Daten ausgewertet. Es wäre das Mindeste gewesen, den Innenausschuss über den Einsatz eines solchen Systems zu informieren, was der Innenminister aber unterlassen hat.“
Faeser berichtete, dass im Gefolge der Medienberichterstattung sowohl die SPD als auch die FDP Dringliche Berichtsanträge an die Landesregierung gestellt hätten, um über die zu diesem Zeitpunkt offenbar längst erfolgte Auftragserteilung an Palantir informiert zu werden.
Die Vergabe, so Nancy Faeser, werfe inhaltlich und formal Fragen auf, die der Innenminister trotz mehrerer Anläufe nicht zufriedenstellend habe beantworten können: „Wie wird technisch sichergestellt, dass keine Daten der hessischen Sicherheitsbehörden an unbefugte Stellen, insbesondere in den USA, ausgeleitet werden? Wieso wurde freihändig vergeben, also ohne Wettbewerb? Wieso wurden Alternativen, zum Beispiel die vom Land Niedersachsen entwickelte Analyseplattform ‚Knime‘, offensichtlich nicht ernsthaft in Erwägung gezogen? Wer hat letztlich entschieden, dass ausgerechnet Palantir auf diese Weise den Auftrag bekommt? Und schließlich: War der Innenminister mit dem Beschaffungsverfahren befasst?“
Faeser machte deutlich, dass ihre Fraktion eine solche Technologie zur Terrorismusbekämpfung nicht grundsätzlich ablehne. Aber wenn man sie einführe, dann nur nach einer sorgsamen, nachvollziehbaren Abwägung der Grundrechtseingriffe und im Zuge eines ordentlichen Beschaffungsverfahrens, das die Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit des Anbieters sicherstellt und besondere Maßnahmen zu Datenschutz gewährleistet.
„Hinzu kam dann noch, dass sich – ebenfalls erst nach mehrfachen Fragen von SPD und FDP – herausgestellt hat, dass die Aufträge für das Abschleppen von Fahrzeugen im Auftrag der Polizei seit Jahren ohne Ausschreibung, ohne Rahmenvertrag, ohne irgendwelche Regeln vergeben werden. Das war dann für uns der Anlass, sich einmal intensiver damit zu beschäftigen, wie sehr das Vergabewesen m Innenministerium im Argen liegt“, erläuterte Faeser.
Nach der Akteneinsicht im Ministerium hätten sich erhebliche Zweifel daran ergeben, dass die Vergabe rechtskonform und ordnungsgemäß zustande gekommen sei, sagte Nancy Faeser: „Und wenn der Innenminister sagt, wir hätten ja nur eine Stunde lang in die Akten geschaut, dann hat er Recht – in den Akten gab es ja nichts, womit wir uns länger hätten beschäftigen können, denn die Unterlagen waren erkennbar unvollständig und teilweise geschwärzt.“
Die offenen Fragen müssten nun eben in einem Untersuchungsausschuss geklärt werden. „Wenn es nach uns geht, kann sich der Ausschuss schon kommende Woche konstituieren und seine Aufklärungsarbeit bis zur Landtagswahl abschließen“, sagte Nancy Faeser.
Hintergrund:
Das Unternehmen Palantir Technologies wurde im Jahr 2004 von dem Erfinder der Bezahlplattform PayPal, Peter Thiel, gemeinsam mit der Firma In-Q-Tel gegründet. In-Q-Tel gilt als ein ausgelagertes Unternehmen für Risikoinvestments der CIA. Palantir wiederum steht im Verdacht, geschäftliche Beziehungen mit Cambridge Analytica unterhalten zu haben, die wiederum dadurch aufgefallen ist, dass sie illegal ausgeleitete Daten von Facebook missbraucht haben soll, um den US-Präsidentschaftswahlkampf zu manipulieren. Auch Palantir selber soll in den USA Presseberichten zufolge durch den Missbrauch von Kundendaten aufgefallen sein.